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SPÖ-Warnhinweise wurden nicht gehört: Die ungelösten Gesundheitsprobleme in Oberösterreich sind zu groß geworden

3. November 2025

SPÖ-Warnhinweise wurden nicht gehört: Die ungelösten Gesundheitsprobleme in Oberösterreich sind zu groß geworden

Pressegespräch

Wartezeiten in oberösterreichischen Spitälern – SPÖ-Analyse zeigt systematisches Versagen

Die SPÖ hat die Entwicklung der Wartezeiten in den oberösterreichischen Krankenanstalten über die letzten Jahre hinweg kontinuierlich beobachtet und durch Anfragen dokumentiert. Was die Anfragebeantwortungen der Landeshauptmann-Stellvertreterin und Gesundheitslandesrätin Christine Haberlander aus den Jahren 2021 bis 2024 zeigen, ist alarmierend und die Situation verschärft sich von Jahr zu Jahr. Wir erleben keine vorübergehende Krise, sondern ein systematisches Versagen in der Gesundheitsplanung.

Bereits 2021, auf dem Höhepunkt der vierten Corona-Welle, musste die Landesregierung eingestehen: Große Teile unserer Anfrage konnten nicht beantwortet werden. Die Begründung damals: Die Hochphase der COVID-Pandemie mache eine solide Erhebung unmöglich. Die Spitäler kämpften mit 138 COVID-Patientinnen und -Patienten auf den Intensivstationen, elektive Eingriffe wurden massenhaft verschoben. Das war nachvollziehbar – in einer Ausnahmesituation.

Doch was sich in den Folgejahren entwickelt hat, lässt sich nicht mehr erklären: die Wartezeiten explodieren. Die Zahl der durchgeführten Operationen sinkt dramatisch. Es bleiben immer mehr Betten gesperrt. Und nun die nächste schlechte Nachricht: Das Kepler Universitätsklinikum hat angekündigt, ab November 2025 monatlich rund 150 Operationen weniger durchführen zu können.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Das ist das Ergebnis jahrelanger Fehlplanung, ignorierter Warnungen und verhinderter Reformen.

„Es zeigt sich damit einmal mehr: Die Politik hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht.

Die Wartelisten werden immer länger. Unzählige Betten bleiben aufgrund von Personalmangel gesperrt. Und nun müssen auch noch planbare Operationen gestrichen werden. Das alles war absehbar, aber es wurde ignoriert. Deshalb versuchen wir heute die Fakten darzulegen“,so SPÖ-Klubvorsitzende Sabine Engleitner-Neu.

Die Fakten: Dramatische Verschlechterung der Wartezeiten

Die Anfragebeantwortungen dokumentieren eine besorgniserregende Entwicklung über drei Jahre hinweg. Was 2022 begann, hat sich 2023 verschärft und ist 2024 zu einer handfesten Krise geworden.

Ein paar einzelne Eingriffe wollen wir hier vergleichen:

Wartezeiten bei planbaren Eingriffen (Vergleich 2022-2024)

Knie-Totalendoprothesen:

Das bedeutet: Patient:innen müssen mittlerweile über ein Jahr auf eine Knieoperation warten. Das ist fast eine Verdoppelung der maximalen Wartezeit innerhalb von nur zwei Jahren.

Hüft-Totalendoprothesen:

Auch hier hat sich die längste Wartezeit binnen zwei Jahren um mehr als 40 Prozent erhöht.

HNO-Eingriffe (Nasenpolypen/Mandeln):

Bei HNO-Eingriffen hat sich die Wartezeit teilweise mehr als verdoppelt, in manchen Fällen sogar vervierfacht.

Die längsten Wartezeiten gibt es überwiegend in den zentralen Spitälern in Linz.

Massive Reduktion der Eingriffszahlen trotz steigendem Bedarf

Besonders alarmierend ist der kontinuierliche Rückgang bei den tatsächlich durchgeführten Operationen. Am Beispiel des Kepler Universitätsklinikums wird das Ausmaß des Problems sichtbar: Bei Knie-Endoprothesen wurden 2019 noch 468 Eingriffe durchgeführt, 2023 waren es nur noch 236 – also eine Halbierung der Leistung. Auch bei Hüft-Endoprothesen sank die Zahl von 561 im Jahr 2019 auf 235 im Jahr 2023. „Diese Entwicklung steht im klaren Widerspruch zur demografischen Realität. Die Bevölkerung wird älter, der medizinische Bedarf steigt, aber die Zahl der Eingriffe sinkt dramatisch. Das ist gesundheitspolitischer Irrsinn“, kritisiert SPÖ-Gesundheitssprecher Peter Binder.

OP-Absagen haben sich fast verdreifacht

Zahlen zu OP-Absagen standen uns nur im Jahr 2022 zur Verfügung. Im Vergleichsjahr 2019 wurden 5,5 Prozent der geplanten Operationen abgesagt: Das waren 2.223 von 40.144 geplanten Eingriffen. Im Zeitraum Oktober 2021 bis Oktober 2022 stieg diese Quote auf 14,9 Prozent (konkret 6.635 von 44.647 geplanten Operationen). Das bedeutet eine fast Verdreifachung der Absagequote innerhalb weniger Jahre. „Diese vielen Absagen zeigen: Das Problem ist nicht neu, es wurde nur konsequent ignoriert. Patient:innen, die sich auf einen Operationstermin eingestellt haben, werden zunehmend wieder nach Hause geschickt. Das ist nicht nur medizinisch problematisch, sondern auch eine enorme psychische Belastung für die Betroffenen“, ergänzt LAbg. Peter Binder.

Personalmangel als Dauerproblem

Der Hauptgrund für die negative Entwicklung ist in allen Anfragebeantwortungen derselbe: Personalmangel. Die Zahl der gesperrten Betten aufgrund fehlenden Personals ist von etwa 671 im Jahr 2022 auf mittlerweile 734 Betten im Jahr 2024 angestiegen.

In fast allen medizinischen Bereichen zeigen außerdem die Daten deutliche Abweichungen zwischen der Soll- und Ist-Besetzung beim Personal. Besonders betroffen ist der Pflegebereich, aber auch bei ärztlichen Positionen gibt es erhebliche Lücken. Am Beispiel der Unfallchirurgie im Kepler Universitätsklinikum wird das deutlich: Bei einem Soll von 46,2 Vollzeitäquivalenten bei den Ärzt:innen lag die tatsächliche Besetzung 2022 bei 39,35, stieg 2023 leicht auf 41,28, fiel aber 2024 wieder auf 39,48. Von einer nachhaltigen Verbesserung kann keine Rede sein.

Es zeigt uns zudem das Urlaubs- und ZA-Guthaben des medizinischen Personals die Überbelastung. 2024 waren das bei den Ärzt:innen 449.532 Stunden. Das Pflegepersonal hat 1.694.336 Stunden am Konto. Insgesamt sind das an vollzeitäquivalenten Arbeitskräften 261 Ärzt:innen und 973 im Pflegepersonal, die fehlen.

Und jetzt stehen wir vor der Situation, dass ausgerechnet in der Anästhesie und der OP-Pflege (zwei absolut zentrale Bereiche für den Operationsbetrieb) die Personalsituation so angespannt ist, dass das KUK die OP-Kapazitäten reduzieren muss. Das KUK hat angekündigt, ab November 2025 monatlich rund 150 der derzeit mehr als 2.000 Operationen nicht durchführen zu können. Das Ziel, mit dem dritten Quartal 2026 wieder auf das bisherige Niveau zu kommen, steht unter dem Vorbehalt, dass die Personalrekrutierung gelingt. Ob das der Fall sein wird, ist angesichts der Entwicklung der letzten Jahre mehr als fraglich.

Mittelfristplanung der Gesundheitsholding/ KUK

Mit der Mittelfristplanung werden dem Oö. Landtag jedes Jahr Vorschaurechnungen für den zukünftigen Finanzmittelbedarf des KUK und der Gesundheitsholding zur Verfügung gestellt. Die SPÖ stimmte diesen Mittelfristplanungen u.a. nicht zu, da Parameter, auf denen die Planungen fußen nicht realistisch sind. So wird etwa die demografische Entwicklung in der Mittelfristplanung zu wenig berücksichtigt, etwa bei der Belagsdauer. Denn Fakt ist: In OÖ gibt es immer mehr ältere Menschen, die zum einen mehr Behandlungen benötigen, deren Behandlungen aber auch länger dauern.

Das spiegelt sich jedoch nicht in den Planungen von KUK und OÖG wider, wie ein Blick auf die prognostizierten Belagstage und Entlassungen zeigt:

              Prognosen OÖG (lt. Mittelfristplanung vom Mai 2025)

ParameterBU 2024BU 2025
Entlassungen (Stationäre Patient:innen)114.391111.623
Pflegetage686.227656.733
Belagsdauer4,874,75

Spannend: In der Mittelfristplanung, die dem Landtag für das KUK im Jahr 2024 vorgelegt wurde, wurde für die Planung 2025 noch von 78.683 Stationären Patient:innen (Entlassungen) ausgegangen, in der Planung, die dem Landtag im Mai 2025 vorgelegt wurde, waren es für 2025 plötzlich noch 75.484 Entlassungen (in dieser Mittelfristplanung 2025 steht auch drinnen, dass die Leistungsplanungen aufgrund aktueller Entwicklungen wie Personalsituation und Bettensperren auf ein realistisches Leistungsniveau angepasst wurde)

Im KUK werden für 2026 aktuell sogar weniger Belagstage und eine kürzere durchschnittliche Belagsdauer angenommen.

             
Prognosen KUK

ParameterBU 2024 (MFP 2024)PL 2025 (MFP 2024)BU 2025 (MFP 25)PL 2026 (MFP 25)
Entlassungen (Stationäre Patient:innen)77.68378.68375.48475.955
Belagstage474.545475.544458.849454.697
Belagsdauer6,116,046,085,99

Das Gesundheitsressort geht in seinen Planungen von gleichbleibenden oder sogar sinkenden Patient:innenzahlen aus, was allein aufgrund der demographischen Entwicklung auf Personal- und Bevölkerungsseite völlig unrealistisch ist. Deshalb wurden auch nie freie Spielräume für kommende medizinische Herausforderungen oder systementlastende alternative Versorgungskonzepte entwickelt. „Als SPÖ haben wir wegen dieser Kurzsichtigkeit vor einer alternden Bevölkerung der Mittelfristplanungen nicht zugestimmt. KUK und Gesundheitsholding müssen gerade wegen erwartbarer steigender Fallzahlen noch stärker auf vorgelagerte Einheiten wie Erstversorgungsambulanzen setzen, um die teureren Ambulanzen zu entlasten. So würden Kosten gedämpft und das knappe Personal für die tatsächlichen Notfälle frei. Die Ordensspitäler gehen mit ihren Gesundheitszentren schon voran, indem sie Patient:innen gleich vor Ort in den niedergelassenen Bereich weiterleiten – einfach wegschicken ist keine vertretbare Option! Bei den beiden landeseigenen Spitalsträgern fehlt diese Lenkungsmöglichkeit aber noch“, betont Binder.

Das hausgemachte Systemversagen

Das Kepler Universitätsklinikum setzt nun zahlreiche Maßnahmen zur Stabilisierung der Personalsituation. Diese Maßnahmen sind verantwortungsvoll, aber sie kommen viel zu spät und behandeln nur die Symptome, nicht die Ursachen. Es würde hier eine Anwerbeoffensive und die Aufnahme von Kooperationsgesprächen mit dem Unfallkrankenhaus brauchen.

Die SPÖ hat über Jahre hinweg auf systemische Probleme hingewiesen, die bis heute nicht gelöst wurden. Gravierend ist, dass für Notarzteinsätze sehr oft Anästhesist:innen eingesetzt werden, also genau jene Berufsgruppe, die jetzt im OP-Bereich fehlt und deren Mangel nun zu den angekündigten Kürzungen führt. Während der notärztlichen Bereitschaft und aufgrund der Ruhezeitbestimmungen stehen diese Fachärzt:innen für planbare Operationen nicht zur Verfügung.

Ein weiteres Beispiel für fehlendes Systemdenken ist die mangelnde zentrale Zuweisungssteuerung. Derzeit entscheiden die im Einsatz befindlichen Notärzt:innen, welches Krankenhaus anzufahren ist, ohne zentrale Steuerung nach Kapazitäten oder Spezialisierung. Das führt zu absurden Situationen: Als zwei LKW-Fahrer in Linz eine Brücke gerammt hatten, wurden beide ins KUK gebracht, obwohl das UKH als Unfallkrankenhaus für solche Arbeitsunfälle zuständig gewesen wäre. Im KUK führte das möglicherweise zu Absagen anderer Operationen, während im UKH zwei OP-Teams unverrichteter Dinge warteten und wieder nach Hause gingen. Das ist ineffiziente Ressourcennutzung in Reinkultur.

Das Planungsversagen: Man tut so, als wäre alles überraschend

Der größte Missstand in dieser ganzen Entwicklung ist aber ein anderer: Die Verantwortlichen verhalten sich, als sei die Krise völlig neu und überraschend hereingebrochen. Deshalb hat man wohl auch „vergessen“, den Aufsichtsrat über die eingeleiteten Gegenmaßnahmen „OP-Kürzungen“ rechtzeitig zu informieren und diese dort zu debattieren. Das ist ein Verstoß gegen elementare Grundsätze der Transparenz und der demokratischen Kontrolle.

Die Wahrheit ist eine andere: Seit Corona fährt die Gesundheitsholding ein quasi „Einfrieren“ und das KUK ein sukzessives Herunterfahren der Patient:innennzahlen bei gleichzeitig kontinuierlichem Aufbau von Personal. Das Ziel, also eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Patient:innennzahl und Mitarbeiter:innenrzahl, ist grundsätzlich begrüßenswert und notwendig. Aber die SPÖ stellt seit Jahren in Landtag und Aufsichtsrat die zentrale Frage: Wie kann man angesichts der unbestreitbaren demografischen Entwicklung davon ausgehen, dass die Patient:innenbelegung kontinuierlich abnehmen kann, wenn es an Alternativen fehlt?

Die demografischen Fakten sind eindeutig und wurden auch vom Vorsitzenden der Sozialversicherung, Bernhard Wurzer, bei der Tagung der Ordensspitäler bestätigt: Die Zahl der über 65-Jährigen steigt massiv an, und ein:e über 65-jähriger Patient:in benötigt doppelt so viel Leistung wie ein:e unter 65-jährige:r. In den nächsten zehn bis zwanzig Jahren werden die geburtenstarken Jahrgänge 65 Jahre und älter – der Bedarf an medizinischer Versorgung wird also nicht sinken, sondern deutlich steigen.

Die in den nächsten Jahren 65 Werdenden sind in Zeiten des steten Wachstums aufgewachsen. Sie haben dort ihre Verhaltensmuster entwickelt. Diese Muster haben bereits nachhaltige Spuren in den Körpern hinterlassen. Gesundheitskompetenz und Vorsorge sind wichtig und richtig, aber sie können nicht rückgängig machen, was über Jahrzehnte entstanden ist. Und dieser Generation sagt man jetzt: „Sorry, wir haben bei der Ausbildung und Anwerbung von Personal etwas übersehen, deshalb nehmen wir Jahr für Jahr weniger Patient:innen in den Spitälern auf.“

Demografie in Oberösterreich: Veränderung von 2011 bis 2050

Demografie in Oberösterreich: Veränderung von 2011 bis 2050

Altersgruppe201120232050
unter 20 Jahre305 017308 826296 043
20 bis 64 Jahre865 216920 272883 864
65 Jahre u. ä.243 529301 251468 749

Quelle: Land OÖ, Statistik Oberösterreich; Daten: Statistik Oberösterreich, Bevölkerungsvorausschätzung 2024 für Oberösterreichs Gemeinden (zum Jahresende; Basis = 2023); Statistik Austria | Rundungsdifferenzen möglich

Zeit für verantwortliches Handeln

Die vorliegende Analyse deckt ein unhaltbares systematisches Versagen auf, dessen Folgen die Patient:innen in Oberösterreich teuer bezahlen. Angesichts explodierender Wartezeiten und gekürzter OP-Leistungen ist die Forderung nach einer Abkehr von der bisherigen Ignoranz überfällig.

Frau Gesundheitsreferentin Haberlander und Herr Finanzreferent Stelzer sind nun in der Pflicht:

Das Budget 2026 muss unverzüglich angepasst werden, um die Fehler im System zu korrigieren. Die Menschen in Oberösterreich fordern nicht nur Transparenz und ehrliche Antworten, sondern haben ein dringendes Recht darauf, dass ihre gewählten Vertreter:innen endlich eine ehrliche Bedarfsplanung und eine massive Personaloffensive einleiten. Nur so kann das Fundament für eine zukunftssichere Gesundheitsversorgung, die der demografischen Realität gerecht wird, wiederhergestellt werden.

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