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BildungsverliererInnen zu BildungsgewinnerInnen machen

10. September 2013

BildungsverliererInnen zu BildungsgewinnerInnen machen

Österreich hat ein Ausleseschulsystem

Das vorgesehene Alter für die erste Selektion der SchülerInnen im Bildungssystem bewegt sich im OECD-Vergleich zwischen 10 und 16 Jahren. Die deutschsprachigen Länder Österreich und Deutschland stechen dabei durch das früheste Alter der SchülerInnen (10 Jahre) bei der Wahl eines weiterführenden Schultyps heraus. Die Schulsysteme werden daher auch von BildungsexpertInnen als Ausleseschulsysteme bezeichnet. Ab einem Erstselektionsalter von 14 Jahren spricht man von einem Gesamtschulsystem (zB in Irland, Griechenland, Portugal, Schweiz, Italien, Dänemark, Lettland, Norwegen, Großbritannien und viele mehr).

Hoher Anteil an BildungsverliererInnen:

Ein Viertel der SchülerInnen in Österreich zählt zur Risikogruppe der BildungsverliererInnen. Diese können nach Abschluss der Pflichtschule nicht Sinn erfassend lesen, bzw. haben grundlegende Probleme beim Rechnen. Wer zur Risikogruppe der BildungsverliererInnen zählt, hat massive Probleme schon bei der Teilhabe an der Gesellschaft. Hinzu kommen deutlich schlechtere Perspektiven in der Arbeitswelt und ein viel höheres Arbeitslosigkeitsrisiko als bei höher gebildeten MitbürgerInnen. Konkret tragen Menschen mit maximal Pflicht-schulabschluss ein dreimal erhöhtes Arbeitslosigkeitsrisiko im Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerung.

Bildung hängt vom Elternhaus ab

In Österreich entscheidet die soziale Herkunft in hohem Maße über die Bildungschancen der Kinder. So erreichen derzeit nur 5 Prozent der Kinder von Eltern mit maximal Pflichtschulausbildung einen akademischen Abschluss. Hingegen werden 41 Prozent der Kinder von Akademiker-Eltern selber Akademiker. Das sprichwörtliche „Vererben von Bildung“ findet somit in Österreich zu einem großen Teil nach wie vor statt.

In allen Bundesländern großer Handlungsbedarf

Bei den Bildungsstandards in Mathematik konnte der konkrete Handlungsbedarf für alle Bundesländer und die jeweiligen Schultypen herausgearbeitet werden: So hat Oberösterreich im Bundesländervergleich mit 548 Punkten zwar den höchsten Wert erreicht, aber dennoch einen hohen Anteil von 38% der Schulkinder mit Schwierigkeiten beim Erreichen der Bildungsstandards. Von den 38% haben 14% den erforderlichen Kompetenzlevel nicht erreicht, weitere 24% konnten diesen nur teilweise erreichen. Folglich gelingt es im derzeitigen Schulwesen nicht ausreichend den Kindern die erforderlichen Fähigkeiten zu vermitteln. Oberösterreich kann sich auch als Bundesland mit der höchsten Punktezahl nicht damit abfinden, dass 38% der Kinder die Bildungsstandards nicht oder nur teilweise erreichen.
Bildungsstandards Mathematik im Jahr 2012, Bundesländerergebnisse

Bildungsexperten zeigen Handlungsbedarf auf

Ein Patentrezept, um BildungsverliererInnen gänzlich zu vermeiden, existiert nicht. Es ist aber unter BildungsexpertInnen unbestritten, dass Maßnahmen zum Abbau sozialer Zugangsbarrieren oder sozialer Selektion sich positiv auf die Chancengleichheit auswirken. Entscheidend ist bei den jeweiligen Maßnahmen stets der Qualitätsaspekt. So stellt es einen enormen Unterschied dar, ob Schulkinder am Nachmittag nur „betreut“ werden oder ob an der Schule ein kindgerechter ganztägiger Unterricht stattfindet. Reine Nachmittagsbetreuung, ohne die erforderlichen pädagogischen Begleitmaßnahmen, dient primär zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Um hingegen die schulischen Ergebnisse zu verbessern, sind kindgerechte Ganztagsschulen mit Abwechslung zwischen Unterricht, Frei-zeit, Bewegung und Lernzeiten der richtige Weg. Das bestätigt auch eine große Studie aus Deutschland, wonach in kindgerechten Ganztagsschulen das Risiko einer Klassenwiederholung von 8,4 % auf 1,4% verringert werden konnte. Die dauerhafte Teilnahme am kindge-rechten Ganztagsunterricht fördert außerdem die positive Entwicklung des Sozialverhaltens. Weniger Aggression und besseres Miteinander im Schulalltag sind die erzielten Erfolge. Wie groß der Handlungsbedarf, aber auch die Chancen sind belegen die aktuellen Zahlen: von zirka 5000 Schulstandorten österreichweit sind nur 126 kindgerechte Ganztagsschulen. Auch in Oberösterreich ist der Anteil sehr gering mit nur 13 kindgerechten Ganztagsschulen (davon 3 AHS) bei insgesamt 839 Pflichtschulstandorten (das sind: Volksschulen, Hauptschulen, Neue Mittelschulen, Sonderschulen und Polytechnikum) und 48 AHS-Standorten.

Für bessere Noten ist Qualität entscheidend

Um den Erfolg von kindgerechten Ganztagsschulen in der Notenentwicklung darstellen zu können, sind qualitative pädagogische Begleitmaßnahmen notwendig: vor allem Kleingruppenunterricht, schulische Zusatzangebote und Binnendifferenzierung im Unterricht fördern die Motivation und Partizipation der Kinder. Das wiederum führt zu höherer Lernfreude und besseren Noten. Aufgrund dieser bereits belegten Fakten setzt sich die SPÖ mit Vehemenz für die qualitativ hochwertige Form der kindgerechten Ganztagsschule ein. Sie schafft einen dynamischen Tagesablauf, wechselt zwischen Unterricht und Freizeit, von Bewegungsphasen bis hin zu gemeinsamen Lernzeiten. Dafür sind genügend Ressourcen erforderlich, um jene schulische Qualität anbieten zu können, die hohe Motivation und Partizipation der Kinder gewährleistet. Diese Investitionen sind auch hochwirtschaftlich, denn sie schaffen den Schulkindern eine positive Zukunft und stärken damit das heimische Sozialsystem.

Gemeinsame Schule sorgt für mehr Chancengerechtigkeit

Vor fünfzig Jahren wurden in Südtirol die Mittelschulen eingeführt – mit dem Ziel, dass alle Schulkinder während ihrer achtjährigen Pflichtschulzeit eine gleichwertige Ausbildung erhalten. Der Erfolg dieses Modells ist aus heutiger Sicht, dass sehr viele Schulkinder Zugang zu höheren Schulen und Universitäten gefunden haben, was ansonsten nicht in dieser Form möglich gewesen wäre. Österreich ist hingegen mit seinem derzeitigen Ausleseschulsystem noch immer hochgradig selektiv. Dadurch werden vor allem sozial schwächere Gruppen benachteiligt, was sich am Ausmaß der Vererbung von Bildung zeigt. Die Gemeinsame Schule der 10-14-Jährigen ist daher für Österreich ein wesentlicher Schritt für mehr Chancengerechtigkeit und für die Verringerung des hohen Anteils an BildungsverliererInnen.
Warum die gemeinsame Schule zu weniger BildungsverliererInnen führt? Weil hoch motivierte SchülerInnen nicht ins Gymnasium aussortiert werden, sondern als Vorbilder in der Gemeinsamen Schule erhalten bleiben. Weil SchülerInnen aus schwierigeren Verhältnissen mehr Zeit erhalten, um allfällige Defizite aufzuholen – bis zum Ende der Gemeinsamen Schule. Weil viele Kinder, die in den entwicklungsstarken Jahren von 10-14 Jahren einen Schub machen, dann den Anschluss nach oben finden können.

Soziale Umgebungsfaktoren der Schulen miteinbeziehen

Der Schultyp allein, sagt noch wenig über die pädagogische Realität an der jeweiligen Schule aus. Hauptschulen bzw. Neue Mittelschulen in Stadt und Land sind oft sehr unterschiedlich. Aber auch zwischen einzelnen Gymnasien gibt es große Unterschiede, wie etwa die Auswertung der Bildungsstandards belegt. Die Linzer Universitätsprofessoren Dr. Herbert Altrichter und Dr. Johann Bacher haben eine Studie erstellt, mit dem Fokus auf „indexbasierte Mittelsteuerung“ mittels eines auf Basis der Elterndaten erstellten Sozialindexes. Die Grundannahme ist dabei, dass jede Schule unterschiedliche bildungspolitische Herausforderungen hat, je nachdem welche SchülerInnen diese Schule besuchen. Sind die Schulkinder hauptsächlich aus gut gebildetem Elternhaus und bringen bereits gute Noten aus der Volksschule mit, dann fällt es der Schule leichter, ihren Bildungsauftrag zu erfüllen, als wenn die Schulkinder sprachliche Probleme haben oder vom Elternhaus weniger gut gefördert wer-den. Um den Bildungsauftrag gleich gut ausführen zu können, braucht die Schule mit den schwierigeren Rahmenbedingungen zusätzliche pädagogische Ressourcen – finanzieller wie auch personeller Natur. Mit dieser Maßnahme würde gezielt an jenen Schulen geholfen, die es derzeit – bei einer Ressourcensteuerung vor allem nach Kopfquoten – besonders schwer haben. Genau dort ist Vorbeugung gegen das Entstehen von BildungsverliererInnen am wichtigsten.

Ungeklärte Frage der Schulstufe 9

Das österreichische Schulsystem ist – trotz einer gesetzlichen Schulpflicht von 9 Schulstufen – in seiner Konzeption auf 8 Jahre plus ein Jahr, bzw. 4 plus 4 plus ein Jahr ausgerichtet. Im Laufe der neunten Schulstufe gehen jedoch viele Schulkinder aus den verschiedensten Gründen „verloren“, außerdem findet auch beim Übertritt zur 9. Schulstufe eine weitere Selektion statt. Aus bildungspolitischer Sicht ist jedoch die Schulstufe 9 entscheidend für die Prägung der beruflichen Laufbahn und erfordert daher große Aufmerksamkeit. Hohe Drop-Out-Quoten müssen daher genau analysiert werden, um Maßnahmen zur Verbesserung einleiten zu können. Die Frage der Schulstufe 9 ist aus heutiger bildungspolitischer Sicht noch nicht befriedigend geklärt und erfordert gesteigerte Aufmerksamkeit in der nächsten Zeit.

SPOÖ-Initiativen für mehr Chancengerechtigkeit

Das Schulwesen ist von der Gesetzeskompetenz her zwar zum größten Teil Bundessache, aber Länder und Gemeinden haben eine Reihe von Einflussmöglichkeiten, beginnend von der Zuständigkeit der Kommunen als Schulerhalter, über die Kompetenz der Landesschulräte (die zwar Bundesbehörden sind) bei der Genehmigung von Schulversuchen bis hin zu den Bildungsabteilungen bzw. dem Bildungsreferat des Landes und etwaigen Förderungen.

So hat der SPÖ-Landtagsklub im Oö. Landtag allein in der aktuellen Gesetzgebungsperiode bereits eine ganze Reihe von konkreten Initiativanträgen für mehr Chancengerechtigkeit für Schulkinder eingebracht. Der Großteil davon wird beim morgigen Bildungsunterausschuss des Landtags erneut diskutiert werden:

Bereits im Juni 2010 hat der SPÖ-Landtagsklub ein Modell für eine Gemeinsame Schule der 10-14-Jährigen (Beilagennummer: 168/2010) beantragt. Ähnliche Initiativen sind in den ÖVP-dominierten Bundesländern Vorarlberg, Tirol und Salzburg in Umsetzung. In Oberösterreich wurde diese Maßnahme für mehr Chancengerechtigkeit jedoch von ÖVP, FPÖ und Grünen am 24.6.2010 abgelehnt.

Im Juni 2011 hat der SPÖ-Landtagsklub einen Initiativantrag eingebracht, um Oberösterreichs Schulbauten für Ganztagsschulen fit zu machen (Beilagennummer: 423/2011). Hintergrund ist, dass kindgerechte Ganztagsschulen auch räumlich andere Anforderungen haben als Halbtagsschulen und die SPÖ dafür eintritt, dass möglichst viele Schulen bereits vorsorglich und vor allem im Zuge von notwendigen Renovierungsarbeiten bereits auf eine Zukunft als kindgerechte Ganztagsschule vorbereitet werden. Dadurch würde die Qualität verbessert, der Umstieg erleichtert und es würden teure neuerliche Umbauten vermieden. Dieser Antrag wurde bereits mit ExpertInnen, die sich klar dafür ausgesprochen haben, im Unterausschuss diskutiert. Von Seiten der Landesregierung gab es die Zusage mit den Gemeinden, die ja Schulerhalter sind, dazu das Gespräch zu suchen. Aus Sicht der SPÖ muss jedoch auch noch eine Überarbeitung der Schulbaurichtlinien des Landes kommen.

Im Jänner 2012 hat der SPÖ-Landtagsklub einen Modellplan für indexbasierte Mittelsteuerung (Beilagennummer 549/2012) beantragt. Auf der Basis der Forschungsarbeiten der Linzer Universitätsprofessoren Dr. Bacher und Dr. Altrichter soll die oberösterreichische Bildungslandschaft chancengerechter werden. So argumentiert auch die OECD in ihrer Österreich-Analyse zu PISA 2009, dass zur Förderung von Chancengerechtigkeit ein geeignetes Lernangebot für Schulkinder mit weniger begünstigter sozioökonomischer Herkunft geschaffen werden soll – ein Schulwesen mit indexbasierter Mittelsteuerung könnte das berücksichtigen. Die für die Erstellung eines Sozialindexes erforderlichen Daten sind im Rahmen der Bildungsstandards bereits weitgehend verfügbar. Dieser Antrag bezieht sich konkret auf die Erstellung eines grundlegenden Modellplans. Der Antrag wurde im Unterausschuss diskutiert und ist noch unerledigt.

Im März 2012 hat der SPÖ-Landtagsklub einen Aktionsplan für die Errichtung kindgerechter Ganztagsschulen (Beilagennummer 567/2012) eingefordert. Das derzeitige Angebot an kindgerechten Ganztagsschulen ist so gering, dass für viele Eltern und Kinder kein attraktives schulisches Angebot in erreichbarer Nähe besteht. Deshalb tritt die SPÖ für den offensiven Ausbau kindgerechter Ganztagsschulen ein, um für echte Wahlfreiheit zu sorgen. Für jedes Kind soll in erreichbarer Nähe ein Platz in einer kindgerechten Ganztagsschule verfüg-bar sein. Dadurch werden die Familien entlastet, die gemeinsame Zeit mit den Kindern wird aufgewertet, die Kinder behalten die Freude am Lernen länger – wie die Rückmeldungen aus bestehenden kindgerechte Ganztagsschulen bestätigen. Deshalb tritt die SPÖ für einen Masterplan des Landes zum Ausbau kindgerechter Ganztagsschulen unter Einbeziehung aller Interessensgruppen ein. Der Antrag ist unerledigt.

Im März 2013 fordert die SPÖ die Umsetzung einer Modellregion für indexbasierte Mittelsteuerung (Beilagennummer: 826/2013). Was mit der Beilage 549/2012 theoretisch erar-beitet werden sollte, soll nunmehr in der Praxis durch eine Modellregion umgesetzt werden. Der Antrag ist unerledigt.

Im Mai 2013 beantragt die SPÖ eine Informationsoffensive für kindgerechte Ganztagsschulen (Beilagennummer: 881/2013). Zweck dieses Antrags ist es, dass Eltern, Schulkinder und Lehrkräfte eine sachliche Information über die Möglichkeiten der kindgerechten Ganztagsschule erhalten und so das notwendige Vertrauen zu einer Schulform entwickeln können, die mangels entsprechender Ausbaubemühungen in Oberösterreich noch eine extreme Aus-nahme darstellt. Derzeit gibt es noch ganze Bezirke in Oberösterreich ohne eine einzige kindgerechte Ganztagsschule, aus SPÖ-Sicht ein klares Manko, weil eine der wertvollsten Mechanismen für mehr Chancengerechtigkeit nicht genutzt wird. Der Antrag ist unerledigt.

Für die weitere Diskussion dieser Initiativanträge im Bildungsunterausschuss ersucht SPÖ-Klubvorsitzende Jahn um konstruktive Zusammenarbeit aller politischen Kräfte: „Wir brauchen in Oberösterreich einen Grundkonsens über die bildungspolitischen Ziele. Wir brauchen ein klares Bekenntnis zur Chancengerechtigkeit – auf einer solchen inhaltlichen Basis können dann Maßnahmen konstruktiv erarbeitet und umgesetzt werden. Das derzeitige Verzögern und Verhindern schadet hingegen dem Bildungsstandort und verringert die Zukunftschancen zukünftiger Generationen!“

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