Realitätsgetreues Strompreisbestimmungsmodell für die Zeit der Energiekrise einführen
Der Oö. Landtag möge beschließen:
Die Oö. Landesregierung wird aufgefordert, sich bei der Bundesregierung auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf europäischer Ebene für die Einführung eines Mischpreismodells bei der Bestimmung des Strompreises einzusetzen, das auf die Kosten der anteilig tatsächlich bei der Stromerzeugung verwendeten Energieträger abstellt.
Begründung
In Oberösterreich erzeugter Strom stammt im mehrjährigen Schnitt laut OÖ Energiebericht 2022 zu knapp 80 % aus erneuerbaren Energieträgern. Diese erneuerbaren Quellen sind nach absteigender Menge: Wasserkraft, Biomasse, Photovoltaik und Windkraft. Der Anteil des teuersten Stroms der in OÖ aus dem Energieträger Erdgas gewonnen wird, liegt bei lediglich 12 % (1.823 GWh). Unser oberösterreichisches Bespiel bedeutet auf das europäische Preisbestimmungsmodell (Merit-Order-System) umgelegt: Der gesamte Strompreis wird von nur 12 % seiner Erzeugungsart bestimmt. Die übrigen 88 % werden bei der Preisbildung vernachlässigt. So ein Modell entspricht nicht der Kostenrealität der Kraftwerksbetreiber.
Die durchschnittlichen Gestehungskosten pro kWh Strom beliefen sich unter anderem laut letztverfügbaren veröffentlichten Zahlen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) zwischen rund 3 Cent pro kWh aus Wasserkraft, über rund 5 Cent aus Photovoltaik, über rund 7 Cent aus Windkraft und auf rund 30 Cent pro kWh aus Gas. Im Falle von voll abgeschriebenen Wasserkraftwerken können die Gestehungskosten unter drei Cent pro kWh liegen. In Erinnerung gerufen wird an dieser Stelle, dass sich 2022 binnen weniger Monate Stromrechnungen der Haushalte vervielfachten, ohne dass sich die Erzeugung in Richtung Energieträger Gas verlagert hätte. Der Strommarkt war außer Kontrolle und die relative Stabilität der Anteile der verwendeten Energieträger bei der Stromerzeugung wurde im Strompreis nicht abgebildet.
Der Anteil an erneuerbaren Energieträgern an der Stromerzeugung soll bis 2030 bekanntlich auf 100 % erhöht werden. Auch aus diesem Grund braucht es mittelfristig ein anderes Preisbestimmungsmodell. Ohne solchen Umbau würde ansonsten in der Zukunft das letzte Prozent fossiler Gasstrom den Preis für 99 % erneuerbaren Strom realitätsfern bestimmen. Die Verlagerung der Stromaufbringung heraus aus fossilen Energieträgern hin zu rein erneuerbaren findet bereits Schritt für Schritt statt. Gaskraftwerke sichern durch ihre flexible Einsetzbarkeit die Netzstabilität ab. Sie sind mittelfristig noch nicht ersetzbar. Es ist sachgerecht, wenn die höheren Kosten ihres Betriebes angemessen in den Strompreis eingerechnet werden.
In der Sitzung des Ausschusses für Standortentwicklung am 27. April, bei dem das Thema Strompreisbildung mit auf der Tagesordnung stand, skizzierten eingeladene Experten der oberösterreichischen Energiewirtschaft ein alternatives Preisbildungsmodell, ein sogenanntes „Mischpreismodell“, das den tatsächlich verwendeten Energiemix (Energieträger für Stromerzeugung) für die Zeit der Energiekrise als Basis hat. Dieses würde durch Merit-Order verursachte Probleme ausgleichen. Teurere Kraftwerke bekämen in diesem Preisbildungsmodell die nötigen Ausgleichszahlungen, die billigeren Strom produzierenden eine Gewinnmargenbeschränkung und würden damit im Produktionsverhältnis den zur Netzabsicherung nötigen teureren Stromanteil mitfinanzieren. Das Mischpreismodell verringert den Bedarf nach staatlichen Eingriffen und Hilfszahlungen bei Marktverwerfungen.
Eine Änderung des Merit-Order-Systems (mit dem teuersten Kraftwerk als preisbestimmend), das zu nicht nachvollziehbaren wirtschaftsschädlichen Preisexplosionen führt, wurde bereits auch aus Sicht anderer Kraftwerksbetreiber angeregt. Der Vertreter des größten österreichischen Stromversorgers sprach sich bereits im September 2022 für eine Art „Höchstpreismodell“ aus, das wesentliche Gemeinsamkeiten mit dem Mischpreismodell aufweist. Auch dieses würde einen staatlich fixierten Preisdeckel zur Senkung der Strompreise überflüssig machen und damit Milliarden Euros Kosten sparen helfen, sowie windfall-profits, die dann abgeschöpft werden müssten, um soziale Verwerfungen zu reduzieren, erst gar nicht entstehen lassen.
Ob unter der Bezeichnung „Höchstpreismodell“ oder „Mischpreismodell“ oder unter einem anderen Namen, das kann dahingestellt bleiben, wesentlich ist, dass sich die Staaten innerhalb der EU dringend auf ein das Merit-Order-System ersetzendes und wirtschaftlich und sozial verträglicheres Preisbestimmungsmodell – jedenfalls für die Zeit der Energiekrise – einigen. Ein Preisbestimmungsmodell, das den Tatsachen bei der Stromerzeugung entspricht, das Bedürfnis der Haushalte und Unternehmen nach leistbarer Energie befriedigen kann und bei dem die Grundsätze der ökosozialen Marktwirtschaft ihre reale Umsetzung erfahren.