EU-Konzessionsrichtlinie stoppen: Öffentliche Wasserversorgung im Visier des europäischen Wettbewerbs
Die EU-Konzessionsrichtlinie: Ein neoliberaler Vorstoß
zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen
Die öffentliche Auftragsvergabe spielt in Österreich wie in der gesamten Europäischen Union eine wirtschaftlich große Rolle. Im öffentlichen Sektor werden europaweit rund 26% des BIP erwirtschaftet und rund 64 Millionen Menschen beschäftigt. Ein Kuchen, der für private Anbieter von höchstem Interesse ist.
Dienstleistungskonzessionen, mit denen staatliche oder kommunale Aufgaben an Privatunternehmen übertragen werden und deren Vertragswert, über die gesamte Laufzeit gesehen, mindestens 5 bzw. 8 Millionen Euro beträgt, sollen in Zukunft vom europäischen Vergaberecht erfasst werden. Das betrifft vor allem die Bereiche Wasser, Abfall und Verkehr. Hier sollen zukünftig mehr Private auf öffentlich finanzierter Infrastruktur Gewinne einfahren.
Die EU-Kommission argumentiert, dass es wichtig ist, den Vergabebehörden einfachere Verfahren zu ermöglichen und Unternehmen leichteren Zugang zum öffentlichen Auftragswesen zu eröffnen. Sie verspricht sich durch eine flexiblere Vergabepraxis, mehr Wachstum und Beschäftigung.
Doch wo liegt das Problem? Für privat geführte Unternehmen ist es von größter Bedeutung, eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften. Für öffentliche Unternehmen ist dagegen die zentrale Aufgabe die Interessen der Gesamtbevölkerung zu befriedigen – ein entscheidender Unterschied. Im Gegensatz zu privaten Unternehmen investieren kommunale Unternehmen in die Infrastruktur der Region und leisten einen entscheidenden Beitrag dazu, dass der Lebens und Wirtschaftsstandort attraktiv ist und bleibt.
In vielen Fällen handelt es sich dabei um wichtige Dienstleistungen, die für alle Bürger zu leistbaren Preisen zur Verfügung stehen sollen. Klassische Marktgesetze würden dabei zu einer nicht gewollten Ungleichbehandlung der Bürgerinnen und Bürger führen (– etwa zu teureren Kanalgebühren für Menschen, die entlegen wohnen).
Auswirkungen von Privatisierungen der Wasserversorgung
Potsdam (160.000 Einwohner): Ende 1997 erfolgte die Teilprivatisierung der Potsdamer Wasserwirtschaft: 49 % der Wasserbetriebe Potsdam wurden an die Eurawasser GmbH veräußert. Kurze Zeit später erfolgten zwei Gebührenerhöhungen: Angefangen hatte man 1998 bei 4,92 Mark und lag im Juni 2000 schon bei 8,80 Mark. Innerhalb der nächsten 17 Jahre wollte Eurawasser die Gebühren noch einmal um 100 Prozent erhöhen (bis 2017 von 8,80 DM auf 16,40 DM pro Kubikmeter). Die Stadt Potsdam trennte sich am 19.6.2000 vom privaten Mitgesellschafter des Wasserbetriebes Potsdam, dem deutsch-französischen Gemeinschaftsunternehmen EURAWASSER. Die Kündigung des Kooperationsmodells hat die Stadt ungefähr fünf bis zehn Millionen Mark gekostet.
Paris (2,2 Mio Einwohner): Bereits im Jahr 1984 vergab die konservative Mehrheit im Pariser Stadtsenat, in Form eines 25-Jährigen Konzessionsvertrages, die Wasserversorgung (operativer Betrieb, Wartung, Investitionen) an zwei private französische Firmen („Compagnie des eaux de Paris“, CEP und „Eau et Force“, EF). Von 1985 bis 2009 nahm der Preis pro Kubikmeter Wasser um 265 Prozent zu, die Inflation betrug zum Vergleich jedoch nur 70,5 Prozent. Die Kunden spürten diesen Preisanstieg durch deutliche Preissprünge alle drei Monate.
Berlin (3,5 Mio Einwohner): Im Jahr 1999 verkaufte der Berliner Stadtsenat 49,9 Prozent der kommunalen „Berliner Wasserbetriebe“ an „RWE“ und „Vivendi“ (später „Veolia“). Trotz der bei der Stadt verbliebenen Mehrheit gab sie die Führung des Unternehmens an die privaten Teilhaber ab. Mit der Teilprivatisierung waren Hoffnungen nach einem Schuldenabbau verbunden und der Wunsch, mit Hilfe eines strategischen Partners betriebswirtschaftliches Knowhow zu gewinnen. Konkret wurden zudem Geheimverträge mit Gewinngarantien für die Privaten abgeschlossen, was nach Aufdeckung zur öffentlichen Forderung nach Auflösung der Verträge führte. Weil aber die Verträge bis 2028 abgeschlossen waren, ist eine Auflösung nicht ohne Zustimmung der Privaten möglich.
Wasserverluste: Eine Vergleichsstudie hat die österreichische Wasserwirtschaft mit jener in England, Wales und Frankreich verglichen. Während die Leitungsverluste in Frankreich 30 Prozent, in England und Wales 22 Prozent betragen, liegt dieser Wert in Österreich bei nur 9,5 Prozent. In England und Wales sind seit 1989 praktisch 100 Prozent der Wasserwirtschaft privat, in Frankreich sind 79 Prozent der Trinkwasserversorgung und 52 Prozent der Abwasserentsorgung privat. Betrachtet man Privatisierung als Gradmesser zur Beurteilung von Effizienz das Ausmaß der Leitungsverluste, so wird man jetzt kaum mehr davon sprechen können, dass ein liberalisierter Markt effizienter ist, oder?
Gemeinden ab 1000 EinwohnerInnen betroffen
Solange eine Gemeinde alle ihre Dienstleistungen direkt als Gemeinde durchführt, ohne Vergabe an Private oder ausgelagerte Gesellschaften, bleibt sie jedenfalls vom Anwendungsbereich der Konzessionsrichtlinie verschont. Sobald sie aber – etwa durch die Kooperation mit anderen Gemeinden oder im Rahmen von gemeinsamen Verbänden Dienstleistungen erbringt oder vergibt wird es kritisch. Denn im Anwendungsbereich der Richtlinie kann keine Konzessionsvergabe an eine beliebige Gesellschaft erfolgen, sondern es ist zuerst ein europaweites Ausschreibungsverfahren durchzuführen. Derartige Ausschreibungsverfahren sind aufwändig und rechtlich komplex, was insbesondere große Versorgungskonzerne begünstigt, die auch zu den Hauptbetreibern der Konzessionsrichtlinie zählen.
Wertgrenzen-Schranke: Das genaue Ausmaß der Umsatz-Wertgrenze für den Anwendungsbereich der Richtlinie wird aktuell noch verhandelt. Die zuletzt genannten Dimensionen waren fünf beziehungsweise acht Millionen Euro – allerdings nicht pro Jahr, sondern über die komplette Konzessionsdauer. Beispiele aus Frankreich zeigen, dass Konzessionierungen auf 25 Jahre durchaus üblich sind, weshalb diese Wertgrenze bis auf relativ kleine Gemeinden durchschlagen würde. Auch bei der Debatte im österreichischen Bundesrat haben KommunalexpertInnen angenommen, dass ab einer Gemeindegröße von 1000 EinwohnerInnen der Anwendungsbereich der Richtlinie beginnt. Jedenfalls über der Wertgrenze liegen Gemeindekooperationen im Versorgungsbereich – etwa die Bezirksabfallsverbände.
Private Miteigentümer schaden öffentliche Gesellschaften
Ein mehrheitliches öffentliches Eigentum an einer Gesellschaft reicht nicht aus, um aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen zu werden – die exakte Prozentzahl wird aktuell noch verhandelt – es zeichnet sich jedoch ab, dass bereits geringe private Miteigentumsanteile schädlich sind. Konkret für Oberösterreich bedeutet das, dass der Versorgungskonzern Energie AG in den Anwendungsbereich der Konzessionsrichtlinie zu fallen droht, weil nach der Teilprivatisierung im Jahr 2008 wesentliche Eigentumsanteile in privater Hand sind: Raiffeisen (13,92%), Oberbank (5,16%), Verbund (5,18%), Voestalpine (2,06%) sowie Oö. Landesbank (1,03%), Oö. Sparkasse (0,52%) und Oö. Versicherung (0,52%).
Töchter erfasst: Konzernstrukturen werden durchgerechnet
Ist der Mutterkonzern von der Konzessionsrichtlinie erfasst, dann trifft das auch auf alle Töchter zu, was etwa im oberösterreichischen Mischkonzern Energie AG mit seinen Geschäftsfeldern in der Abfallwirtschaft oder im Bereich der Wasserdienstleistungen relevant ist. Wenn also in diesen Bereichen der Vollanwendungsbereich durchschlägt, dann werden zahlreiche oberösterreichische Gemeinden betroffen sein. Auch gemeinsame Unternehmenskonstrukte mit der zu 100 Prozent im öffentlichen Eigentum stehenden Linz AG könnten erfasst sein. Nicht zuletzt auch aus diesem Grund tritt die SPÖ für eine klare Ablehnung der Konzessionsrichtlinie und eine umfassende Ausnahme öffentlicher Dienstleistungen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie an.
Mischkonzerne mit (auch) privaten Kunden erfasst
Neben der öffentlichen Geschäftstätigkeit darf das Unternehmen bzw. der Konzern nur einen minimalen Privatkundenanteil am Gesamtumsatz haben, weshalb öffentliche Mischkonzerne, die auch im Energiebereich tätig sind – sowohl Linz AG wie auch Energie AG – in den Anwendungsbereich der Konzessionsrichtlinie zu fallen drohen.
Teure Rechtsberatung für Gemeinden
Die konkrete Abgrenzung zwischen bloßer Dienstleistung bzw. Auftragsvergabe und einer Konzessionierung ist immer im Detail zu beurteilen. Je mehr Gestaltungsspielraum ein Unternehmen bekommt, desto wahrscheinlicher ist das Rechtsgeschäft als Konzessionierung zu beurteilen und damit vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst. Es ist sicherlich schwierig – gerade für Gemeinden, die über keine juristisch ausgebildeten Bediensteten verfügen – in Hinkunft derartige Entscheidungen selbst zu treffen. Deshalb drohen Mehrkosten durch teure Rechtsberatung.
Jahrelange Prozesse drohen als Folge
Die Erfahrung mit bisherigen Vergabeverfahren zeigt, dass sich die Verfahrensteilnehmer nicht immer einig über das Verfahrensergebnis sind und oft lange Prozesse folgen. Gerade im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge und sozialen Dienstleistungen, wo die Bürgerinnen und Bürger mit Recht dauerhafte Versorgungssicherheit einfordern, könnte die Konzessionsrichtlinie zum genauen Gegenteil – nämlich jahrelanger Rechtsunsicherheit führen.
400.000 Unterschriften für Europäische Bürgerinitiative
Die Gegner der Konzessionsrichtlinie – angeführt von den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes – haben daher bereits eine Europäische BürgerInneninitiative mit dem Titel: „Wasser und sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht“ eingebracht, die aktuell von zirka 400.000 BürgerInnen unterschrieben wurde. Unter www.right2water.eu kann man die Initiative unter Angabe der Passnummer unterstützen.
SPÖ-Landtagsinitiative: Konzessionsrichtlinie ablehnen
In Verhandlungen mit den anderen Landtagsfraktionen ist es gelungen, einen gemeinsamen Text für eine Landtagsresolution zu erarbeiten, die morgen im Landtag beschlossen werden soll. Das Begehren an die Bundesregierung ist dabei klar: Die Konzessionsrichtlinie soll abgelehnt bzw. um umfassende Ausnahmeregelungen für öffentliche und soziale Dienstleistungen ergänzt werden.
Denn gerade in Oberösterreich verschärft sich die Situation dadurch, dass mehr als die Hälfte der Gemeinden ihren ordentlichen Haushalt nicht mehr ausgleichen können und dadurch besonderem finanziellen Druck ausgesetzt sind. Vor dem Hintergrund des Stabilitätspakts und der damit verbunden strengen Regeln für die Kreditaufnahmen von Gemeinden und anderen öffentlichen Körperschaften wird zudem die öffentliche Finanzierung der Versorgungsinfrastruktur immer schwieriger. Soweit die Gemeinden dadurch gezwungen sind, öffentliche Dienstleistungen an Private auszulagern, können sie das in Hinkunft nur mehr nach den Kriterien der Konzessionsrichtlinie, die grundsätzlich eine europaweite Ausschreibung vorsieht, tun. Das Tor zum öffentlichen Versorgungssektor für internationale Großkonzerne, die zu den Hauptbetreibern der Vergaberichtlinie zählen, würde dadurch weiter geöffnet und insbesondere auch auf den Wasserversorgungsbereich ausgedehnt.
Infoveranstaltung der SPÖ zur Konzessionsrichtlinie
Am 24. Jänner 2013 veranstaltet die SPÖ um 19 Uhr im Skyloft des AEC eine Informationsveranstaltung zu den Auswirkungen der EU-Konzessionsrichtlinie. Als FachexpertInnen, Betroffene und DiskussionspartnerInnen werden MEP Josef Weidenholzer, Klubvorsitzende Mag.a Gertraud Jahn, GVV-Vorsitzender Bgm Manfred Kalchmair und der Linzer Bezirksgeschäftsführer Jakob Huber zur Verfügung stehen. Sie sind herzlich eingeladen!
Politische Forderungen der SPÖ
• Leistungen der Daseinsvorsorge ausnehmen
Im Bereich der Daseinsvorsorge muss es weitreichende Ausschlüsse von der Richtlinie geben. Vor allem die Bereiche der öffentlichen Infrastruktur (Wasserversorgung), der sozialen Sicherheit (Sozialversicherung, Gesundheitswesen), der kommunalen Dienstleistungen (Abfallbeseitigung) sowie Kultur und andere sensitive Bereiche müssen vom Anwendungsbereich ausgenommen werden.
• Kein Lohn- und Sozialdumping
Zwingende Voraussetzung für eine Auftragsvergabe muss die Anwendung der jeweilig geltenden Kollektivverträge, sowie aller sozial- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen in allen Phasen des Vergabeverfahrens sein. Systematische Verstöße gegen nationale arbeits-, sozial- und umweltrechtliche Vorschriften sollen zum Ausschluss von der Konzessionsvergabe führen.
• Sozial verträgliche und nachhaltige Zuschlagskritierien
Konzessionsvergaben müssen verbindlich an soziale und ökologische Kriterien gebunden werden. Soziale und beschäftigungspolitische Kriterien, wie Frauenförderung, Integration benachteiligter Gruppen am Arbeitsmarkt, Arbeitsbedingungen oder externe Kosten, wie beispielsweise Umweltkosten, müssen berücksichtigt werden.